Unsere Gemeinde ist...
…ist alt.
Zehn Jahre nach Luthers Tod, 1556, wird Gimmeldingen evangelisch. Luther war 1521 auf dem Reichstag in Worms. Der Weg dorthin war ein Triumphzug. Es wehte ein neuer Wind, der große Veränderungen brachte. In den Städten wurde seine Lehre zum Teil mit Begeisterung aufgenommen. Die Bauern verlangten nach Freiheit. Sie lehnten sich gewaltsam gegen ihre Herren auf, auch in unserer Gegend wurden Burgen geplündert und gebrandschatzt.
Aber – wie in Thüringen – wurden die Bauern vernichtend geschlagen. Die Veränderung der Kirche war aber nicht mehr aufzuhalten. 1522 begann Johannes Bader in Landau mit der Verkündigung des Evangeliums. Dass der Bischof von Speyer ihn aus der Kirche ausschloss (Kirchenbann), führte dazu, dass sich die ganze Bürgerschaft Landaus der Reformation zuwandte. In Speyer predigte bald sogar der Weihbischof lutherisch und musste nach Straßburg fliehen. 1546 fand in Heidelberg die erste Abendmahlsfeier mit Brot und Wein statt. Während Jörg Schoner 1554 als erster lutherischer Pfarrer in die Neustadter Stiftskirche einzog, wurde der Königsbacher Pfarrer wegen lutherischer Tendenzen verjagt. Mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 kehrte Ruhe ein. Die Reformation ging gestärkt aus diesem Friedensschluss hervor.
Im kurpfälzischen Gimmeldingen gab es nur noch eine Konfession: die des Kurfürsten Ottheinrich, also die lutherische.
Auch Gimmeldingen war im 17. Jahrhundert neun Jahre wieder nominell katholisch. Aber die protestantische Lehre hatte sich an der Basis doch durchgesetzt. In unserer Gemeinde war die reformierte Lehre so fest verankert, dass niemand auf den Gedanken kam, diese Inschrift im Turm wieder zu tilgen. Vielleicht hätte 1705 alles wieder anders kommen können.
…ist jung.
Im Durchschnitt gibt es pro Jahr 15 Taufen. Bei jeder Taufe rufen wir uns in Erinnerung, welche Verantwortung wir tragen, wenn wir Kleinkinder taufen: Wir haben dafür zu sorgen, dass unsere Gemeinde, unsere Kirche kinderfreundlich wird und bleibt.
Es gibt eine Krabbelgruppe, den Kindergottesdienst und die „Kinderstunde“ mit biblischen Inhalten, aber auch mit Spiel und Kinderkino. Der Pfarrer erteilt Religionsunterricht in der Grundschule für etwa 50 Kinder. Ökumenische Schulgottesdienste finden regelmäßig statt. Den zweijährigen Konfirmandenunterricht mit dem Ziel der Konfirmation besuchen im Durchschnitt 20 Jugendliche. Danach haben sie die Möglichkeit, sich im Jugendkeller des Gemeindehauses weiter zu treffen. In unserer Kirche werden junge Menschen schon früh in die Verantwortung eingebunden. Das hängt mit unserem Konfirmationsverständnis zusammen: das aktive Wahlrecht erhält man mit 14 Jahren.
...ist traditionsbewusst.
Die Gemeinde ist älter als die Reformation. Die Reformation bedeutete wieder zur Bibel zurück zu kehren.
Luther hatte zum ersten Mal als Student in Erfurt eine Bibel in der Hand. Im Kirchenvolk war sie unbekannt. Ohne Genehmigung war Bibellesen ohnehin verboten. Wer einen Priester darum bat, setzte sich dem Verdacht der Ketzerei aus. Die Beschäftigung mit ihr führte Luther zu seiner reformatorischen Erkenntnis und dem Ziel, allen die Bibel in der Muttersprache zugänglich zu machen und für eine allgemein gute Schulbildung zu sorgen.
Wir haben über die Sonntagsgottesdienste hinaus regelmäßig Veranstaltungen, die sich mit der Bibel als Urkunde unseres Glaubens befassen. Diese richten sich auch an Interessierte ohne konfessionelle Bindung. Manche Bibelabende finden in ökumenischer Verantwortung statt.
Das Kirchengebäude mit romanischen und gotischen Elementen und dem barock-klassizistischen Gottesdienstraum wird als Mittelpunkt des kirchlichen Lebens bewahrt und gepflegt. Dazu wurde der Förderverein Kultur und Kirche ins Leben gerufen. Sechs Personen aus unserer Gemeinde sind ausgebildete Kirchenführer für unsere auch touristisch interessante Kirche.
Traditionsbewusstsein zeigten unsere Vorfahren als sie beim Kirchenumbau 1803 als einziges Symbol für die Kirche (an der Kanzel) das Auferstehungslamm wählten. Das war ein Rückgriff in die vorreformatorische Bildsprache. Mit dem „Gimmeldinger Laurentius“, der im Jahr 2007 vor der Kirche aufgestellt wurde, wurde bewusst an die Weihe der Kirche im Mittelalter angeknüpft. Märtyrer wie Laurentius verbinden die getrennten Konfessionen auf dem Weg zur Einheit schon heute.
...ist zeitbewusst.
Auf dem Türsturz über dem Südportals der Kirche steht:
NUN WALT ES GOTT IN JESU NAMEN DER UNS ALHIER ZUR KIRGEN FIRT. KOMT B/ALT IHR FROMMEN AL ZUSAHMEN, WEIL UNS ZU WANDERN JETZT GEBIRT. ACH S/EHET WIE IST DOCH SO SCHEN, WANN WIR IN GOTTES HAUS HINGEHEN.
1803 „Nun“ – „ bald“ – „jetzt“ – 1803
Die Inschrift zeugt von einem Bewusstsein für Jetztzeit, für ein Gespür, eine „Witterung für das Aktuelle“ (Walter Benjamin). Sie beantwortet eine Frage der Zeit. Sie deutet die Zeichen der Zeit.
Was gebührt uns jetzt? Was ist jetzt dran? Was ist angesagt? Was müssen wir tun? Die Antworten hören sich brav an und bewegen sich anscheinend im Horizont dessen, was die Kirche, Sachwalterin der Ewigkeit, immer schon gesagt hat: Was müssen mir tun? In die Kirche gehen! Aber ganz so brav sind die Antworten denn doch nicht:
Hörbar ist das Drängende in der Aufforderung. Kommt bald zusammen! Das legt nahe: es gibt ein Zuspät, man kann etwas versäumen, sogar unwiederbringlich versäumen, schuldhaft versäumen. Die Diagnose, die gestellt wird: Es ist die Zeit des Aufbruchs, jetzt gilt es teilzunehmen an einer Wanderung, die weniger in das Gotteshaus hineinführt, sondern von dort ihren Ausgang nimmt.
Darin steckt ein erstes Versprechen: Das, was in der Kirche passiert, in der Versammlung der Gemeinde, muss die Frage beantworten, wo die Reise hingeht. Die Kirche, der Gottesdienst muss diese Orientierung geben. Aber damit man weiß, wo’s lang geht, muss man erstmal rein. Darum hat dieser Appell über dem Eingang im letzten Satz einen Stoßseufzer: Ach!
Und er hat ein interessantes Argument, das ein zweites Versprechen darstellt, das dann im Innern (liturgisch, aber auch durch die Gestalt der Kirche) einzulösen wäre: es ist „schön“ in Gottes Haus zu gehen, Gottesdienst ist eine schöne, ästhetische Sache. Hier bekommt die Seele Nahrung, Bildung, Erbauung, Zurüstung für den Weg. Heute gilt das genauso: wir stellen uns der besonderen Verantwortung dadurch, dass wir uns festgelegt haben, drei Projekte finanziell zu unterstützen: ein Kulturzentrum in Bolivien sowie das Frauenhaus und den „Lichtblick“ in Neustadt.
Wir bemühen uns um ein gutes Miteinander mit den Vereinen am Ort, in der ökumenischen Partnerschaft, mit der Ortsverwaltung und der Schule und der Kindertagestätte. Wir öffnen unsere Kirche der Gegenwartskunst. Wir machen Ausstellungen, Konzerte, Vorträge zu Zeitfragen. Mit Krimi-Lesungen in der Kirche (im Rahmen der Criminale 2007) beschritten wir 2007 erstmals neue Wege. Unübersehbar steht mit der Laurentiusgruppe ein modernes Kunstwerk vor unserer Kirche, in Mitten unseres Ortes.
… ist reich.
In der Gemeinde gibt es vielfältige Begabungen im Bereich der Kirchenmusik. Hunderte von Gimmeldingerinnen und Gimmeldingern haben hier Flöte, Posaune oder Trompete spielen gelernt. Viele bringen ihre Begabungen regelmäßig in den Gottesdiensten ein. Seit Jahren gibt es das Kirchcafé, das nach jedem Gottesdienst bei Kaffee, Tee und Kuchen zum Verweilen einlädt. Der Gemeindebrief erreicht sechs Mal im Jahr alle Haushalte. Viele treue Freiwillige ermöglichen das. Es gibt einen Kreis von etwa 70 Personen, die in den Gruppen und Kreisen, bei der Organisation der Feste und Veranstaltungen Verantwortung übernehmen. Einmal im Monat kommt das Leitungsgremium, das Presbyterium, unter dem Vorsitz von Frau Claudia Stolleis zusammen. Die Gemeinde verfügt über eine der schönsten Kirchen der Pfalz, die mit ihrem Turm das Wahrzeichen des Ortes darstellt und über einen heiteren, harmonischen Innenraum verfügt, in dem wir schöne Gottesdienste feiern.
...ist arm.
Leider bleiben viele Angebote ungenutzt. Die Gottesdienste sind zwar überdurchschnittlich gut besucht, aber trotzdem sind viele Bankreihen leer. Seit vielen Jahren schrumpft die Gemeinde – aus dem gleichen Grund, aus dem die Bevölkerungszahlen zurückgehen. Ein- und Austritte halten sich seit geraumer Zeit die Waage. Die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel sind trotzdem rückläufig.